a Soll ich in mir selbst verschmachten
b und in Liebe ganz vergehn?
a Wird das Schicksal mein nicht achten,
a Dieses Sinnen, dieses Trachten
b Stets mit Mißvergnügen sehn?
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c Bin ich denn so ganz verloren,
d Den Verstoßnen zugeweiht?
c O beglückt, wer auserkoren,
c Für die Künste nur geboren,
d Ihnen Herz und Leben weiht!
e Ach mein Glück liegt wohl noch ferne,
f Kommt noch lange mir nicht nah!
e Freilich zweifelt’ ich so gerne –
e Doch noch oft drehn sich die Sterne –
f Endlich, endlich ist es da!
g Dann ohne Säumen,
g Nach langen Träumen,
h Nach tiefer Ruh’,
i Durch Wies’ und Wälder,
i durch blühnde Felder
h Der Heimat zu!
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j Mir dann entgegen
j Fliegen mit Segen
k Genien, bekränzt
k Strahlenumglänzt!
l Sie führen den Müden
l Dem süßen Frieden,
h Den Freuden, der Ruh’,
h der Kunstheimat zu!
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aus
Wackenroder, Heinrich Wilhelm und Tieck, Ludwig Johann: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Stuttgart: Reclam 1979. S. 12f.
Das Metrum des Gedichtes besteht in den ersten drei Strophen in vierhebigen trochäischen Versen, die auf den männlichen Reimen eine unbetonte Silbe „verlieren“. Die Reimform kann als umarmend mit einer zusätzlich vorangestellten Zeile, die den Anschein eines Kreuzreims vermittelt, beschrieben werden (a-b-a-a-b). Dieses Schema wird bis einschließlich Strophe 3 eingehalten. Die Strophen bauen durch Reime keinen Bezug zueinander auf, jedes „Reimpaar“ bzw. „-trio“ wird nur einmal verwendet. Inhaltlich befassen sich die Strophen 1 bis 3 mit der Klage des lyrischen Ichs, das sein „Verschmachten“ in der Liebe bedauert und den glücklich preist, der „ für die Künste nur geboren“. Dieser erste Teil des Gedichtes endet mit der Feststellung des lyrischen Ichs, dass sein Glück „wohl noch ferne“ sei und sich ihm erst in ferner Zukunft nähern werde.
Im zweiten Teil des Gedichtes läutet der inhaltliche Schwenk auch einen Wandel der äußeren Form ein. Inhaltlich wird die Hinführung des Müden von „Genien…strahlenumglänzt“ in die „Kunstheimat“, eine Art Ruhehafen, imaginiert, nachdem das lyrische Ich wie zur Reinigung ein heiles Landschaftsbild, das ganz im Gegensatz zur beginnenden Industrialisierung ein romantisches Ideal repräsentiert, durchlaufen hat. Im Laufe dieser „Reinigung“ wenden sich alte römische Gottheiten (die Genien) dem lyrischen Ich zu und geleiten es in die entworfene Gegenwelt, die von den realen Strapazen erlösen kann.
Metrisch wird dieses Hoffen und anschließendes Ruhe-Finden durch zweihebige jambische Verse unterstützt, die im Kontrast zu den vierhebigen trochäischen der Strophen 1 bis 3 stehen. Das „Einlaufen“ des lyrischen Ichs in den „Ruhehafen“ scheint in der fünften und damit Schlussstrophe noch weiter vertieft zu werden durch doppelte Senkungen in der Mitte der Verse, die das Tempo noch einmal anheben und den Leser so gemeinsam mit dem lyrischen Ich von dessen strapaziöser Gegenwart entfernen und den überhöhten Blick auf die romantische Landschaft entfalten.
Das komplexere Reimschema der ersten drei Strophen wird im Laufe der vierten Strophe in Paarreime überführt, die das Aufklaren des Inhaltes unterstützen und den Eindruck geben, der Sprecher befinde sich in einer unbeschwerten Stimmung. Auffällig ist, dass der h-Reim in beiden Strophen, 4 und 5, verwendet wird, wobei es sich strenggenommen nur um eine Wiederholung handelt, da die Reimworte sich nicht ändern. Die „Heimat“ aus Strophe 4, Vers 6 wird in Strophe 5, Vers 8 jedoch spezifiziert zur „Kunstheimat“ und bietet damit einen inhaltlichen Ausblick, wahrscheinlich auf Rom. Metrisch unterscheiden sich die ersten vier Verse der fünften Strophe von deren zweiter Hälfte. Die Trochäen haben einen auffordernden Klang, werden jedoch von den ruhigeren jambischen Versen, die sie umgeben, „übertönt“.
Ferner erinnert die globale Form des Textes an ein Sonett. Werden auch die klassischen Normen für Versaufbau und Reimschemata nicht oder nur wenig eingehalten, bilden doch die Strophen 1 bis 3 eine Opposition zu den Strophen 4 und 5, die sich, wie oben beschrieben, sowohl im Inhalt als auch in der Form niederschlägt. Wie für ein Sonett gefordert, beziehen sich die letzten beiden Strophen durch Reime aufeinander und bilden ein inhaltliches Resümee, eine Art „Siegel“ zum Rest des Gedichtes, das also zwar kein klassisches Sonett, wohl aber eine gekonnte Weiterführung dieser traditionellen Form darstellt.
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